Auf dem Bild ist das Foto einer Frau zu sehen. Sie hat die Augen geschlossen, strahlt in sich hinein. Die Frau trägt ein blaues T-Shirt. Ihre Fingernägel sind rot lackiert. Bei der Frau handelt es sich um eine Patientin, der ein neues Herz implantiert wurde. Vor der lebensgroßen Fotografie steht eine Besucherin der Ausstellung "Wiederleben". Von ihr ist nur der Rücken zu sehen. Das Foto wurde von dem Berliner Fotografen Ralf Klingelhöfer bei der Eröffnung der Ausstellung gemacht.

Wiederleben: Berührende Begegnung mit Transplantierten

Auf die Fotoausstellung „Wiederleben“ bin ich auf Facebook aufmerksam geworden. Es war nur ein kleiner Hinweis. Aber er machte mich neugierig. Die Ausstellung ist das Ergebnis eines Projekts unter dem Namen „Wiederleben“. Es wurde anlässlich des 20-jährigen Jubiläums der IG Organtransplantierter Patienten e.V. gemeinsam mit dem Deutschen Herzzentrum Berlin realisiert. Die dazugehörige Ausstellung im imposanten Eingangsbereich zum „Weißen Saal“ wurde am 31. Januar mit einem Vortrag eröffnet. Es werden nur elf teilweise überlebensgroße Aufnahmen von Organtransplantierten gezeigt. Alle stammen von dem Berliner Fotografen Max Threlfall.

Was wir sehen, sind Menschen voller Energie und Lebensfreude. Ich konnte mich ihrem Strahlen kaum entziehen. Jeder, der hier vorbeigeht, muss innehalten. Wenigstens für einen Moment. Und während man so steht und schaut, da fängt man auch schon zu lesen an. Denn unter den Fotos ist die Geschichte jedes Porträtierten auf einer kleinen Begleittafel zusammengefasst. Nur wenige Sätze. Aber ihre Wucht klingt lange nach. Und danach kommt man am Thema Organspende nicht einfach vorbei. Mir jedenfalls erging das so. Alle Porträtierten werden auf der Website des Projekts „Wiederleben“ zusätzlich in einem Video vorgestellt. Dieses Video vermittelt persönliche Erfahrungen vor und nach einer Transplantation. Das ist sehr emotional, unmittelbar und direkt. Schon nach wenigen Filmsekunden merkt man: Hinter allen Transplantierten liegt eine riesengroße Anstrengung. Mir nötigt das großen Respekt ab. Am meisten aber hat mich die Freude dieser Menschen berührt, es geschafft zu haben. Und wer, wenn nicht sie, kann uns besser vermitteln, was sich hinter dem Begriff „Organspende“ verbirgt und so schwer in Worte fassen lässt.

Besucher im Treppenhaus zum Weißen Saal

Was ist das Besondere der Ausstellung?

Bis zur Realisierung des gesamten Projekts hat es zwei Jahre gedauert. Das waren zwei Jahre harte Arbeit, beispielsweise um Sponsoren zu finden und Überzeugungsarbeit zu leisten. Denn ja, auch die Transplantierten mussten erst überzeugt werden. Das erzählte die Initiatorin Ute Opper in ihrem Einführungsvortrag. Auch sie ist eine „Transplantierte“ und sie weiß genau, wovon sie redet. Denn schon 25 Jahre lang lebt Opper mit einem neuen Herzen. Weil sie anderen Mut machen wollte, hat sie später einen Verein gegründet. Inzwischen kümmert sie sich schon 20 Jahre lang als dessen Vorsitzende um Menschen, die eine Organtransplantation noch vor sich oder (gerade erst) hinter sich haben. „An uns kommt niemand vorbei, wie sind vorher da und danach“, so fasst Opper ihr Engagement zusammen.

Warum fällt es Betroffenen so schwer, darüber zu sprechen, dass sie transplantiert sind? Einerseits sind sie glücklich über die neue Lebensqualität. Anderseits mussten sie auf dem Weg dorthin viel verkraften. Denn auf der Strecke zum Ziel gibt es Rückschläge, falsche Hoffnungen, unerfüllte Erwartungen. Deshalb denkt nicht jeder Transplantierte gern an die Mühsal zurück. Für viele unter ihnen ist es im Gegenteil eine große Herausforderung, öffentlich über das Erlebte – und damit eben auch über die Angst und die Strapazen – zu reden. Wie gut, dass es diese elf Menschen für uns gewagt haben. Sie haben ihre Geschichte für das Projekt „Wiederleben“ erzählt. Und damit sind sie einen großen Schritt für eine große Sache vorangekommen. Denn wenn es ihnen gelingt, uns zu berühren, dann können wir innehalten und nachdenken, was wir selbst zum Thema für eine Haltung haben.

Frank-Rüdiger, transplantiert 2016, vor seinem Porträt

„Wiederleben“ vermittelt Lebensfreude und Dankbarkeit

Leider ist viel zu wenigen Menschen das Glück einer Transplantation vergönnt. Es soll an dieser Stelle jedoch keine Diskussion darüber geführt werden, warum das so ist. Fakt ist: Zu klein ist in Deutschland die der Zahl der Menschen, die sich zu einer Organspende verbindlich erklären und dies auch in einem Spenderausweis dokumentieren. Auch das Projekt „Wiederleben“ will keine klassische Aufklärungsarbeit in diese Richtung leisten. In erster Linie gibt es denjenigen eine Stimme, die erfolgreich transplantiert werden konnten. Wir erfahren nicht mehr und nicht weniger als ihre Lebensgeschichten und die grenzen nicht selten an ein Wunder. Es geht um Dankbarkeit, um Zuversicht und ansteckende Lebensenergie, von der diese Vernissage im Übrigen von der ersten Minute an erfüllt war. Alle elf Porträtierten waren leibhaftig da und standen den Anwesenden für Gespräche und Fragen zur Verfügung.

Dass sich die Tonwiedergabe des Videos zum Entstehungsprozess anfangs hartnäckig verweigerte, war fast so etwas wie ein Glücksfall an diesem Abend. Bis diese kleine technische Panne behoben war, kamen die fast 90 Besucher bei Getränken und Brezeln ohne Umschweife ins Gespräch. Berührungsängste konnten so gar nicht erst aufkommen. Herzlichen Dank an alle, die mitgewirkt haben und es weiterhin möglich machen, dass sich in den nächsten Wochen viele Menschen von „Wiederleben“ berühren lassen können.

Ute Oper von IOP im Gespräch mit Prof. Falk vom DHZ Berlin vor dem Porträt von Julia

Hier können Sie sich alle Porträts, Videos und Informationen in Ruhe anschauen. Und bitte erzähen Sie anderen von diesem Projekt oder verschicken Sie einen Link an Freunde und Bekannte.

Text: Gerburg Richter | Fotos: Ralf Klingelhöfer