Arthrose im Kniegelenk? Das zieht immer …

Arthrose im Kniegelenk? Das zieht immer …

Am 21. Februar 2017 lud die Schlossparkklinik in Berlin-Charlottenburg zum Patientenforum. Die Ankündigung zum Vortrag habe ich gut platziert auf der Website der Klinik gefunden und mich über den zu erwartenden Inhalt informieren können. Ein Knorpelschaden im Kniegelenk, stand dort geschrieben, müsse nicht zwangsläufig zur Arthrose im Kniegelenk und später zum künstlichen Gelenkersatz führen.

Eine gute Nachricht. Sie hat weit über hundert Interessierte in die Cafeteria der Schlosspark-Klinik gelockt. Schon 10 Minuten vor Beginn der Veranstaltung war kaum noch ein Stuhl frei. Auf jeden Besucher warteten dort übrigens Kugelschreiber, Taschenkalender sowie ein Fragebogen. Darauf konnte der Vortrag bewertet werden. Außerdem wollten die Veranstalter wissen, über welche Kanäle wir Besucher von diesem Vortrag erfahren haben. Einige Anwesende schienen sich zu kennen. Vielleicht waren sie dank des E-Mail-Verteilers der Schlosspark-Klinik schon öfter zu Gast im hiesigen Patientenforum? Auf einem Tisch lag Informationsmaterial über die Abteilung Orthopädie und Unfallchirurgie der Schlosspark-Klinik zum Mitnehmen. Großer Pluspunkt: Für die Besucher stand ausreichend und kostenlos Wasser bereit – daran wird leider oft nicht gedacht.

Arthrose ist eine Ur-Krankheit

Der Referent, Prof. Dr. Ulrich Böhling, Chefarzt der Abteilung Orthopädie und Unfallchirurgie in der Schlosspark-Klinik, startete seine Präsentation über Arthrose im Kniegelenk mit einem Urlaubsfilm aus Vietnam. Darin wurden kleine Boote von den Bootsführern höchst elegant mit den Füßen gerudert. Lustig anzusehen, für die meisten Anwesenden – viele deutlich über 50  – wäre dies aber auch mit größter Anstrengung nicht mehr möglich.

Jeder 3. Mensch zwischen 25 und 75 Jahren, so erfuhren wir, leidet an einer Arthrose. Selbst vor 5.000 Jahren war man in den Ötztaler Alpen nicht davor gefeit. Arthrose im Knie – so Prof. Böhling, ist eine Ur-Krankheit und hängt mit unserem Übergang zum aufrechten Gang zusammen. Frauen sind übrigens etwas häufiger als Männer betroffen. Gleich zu Beginn des Patientenvortrags eine erste klare Ansage: Die Wirksamkeit von Nahrungsergänzungsstoffen zur Therapie von Knorpelerkrankungen sei nicht nachgewiesen. Die zwischen 15 und 50 Euro teuren Präparate aus der Apotheke kann man sich also getrost sparen…

Wo sitzt eigentlich der Schmerz bei einer Arthrose? Da ich zum Glück nicht betroffen bin, fand ich den Verweis auf die Landkarte der Empfindlichkeit sehr hilfreich. Der Knorpel, so wurde daran deutlich, verursacht nämlich gar keinen Schmerz. Besonders sensibel auf eine Schädigung reagiert statt dessen das Fettposter am Knie.

Wie werden Knieprobleme diagnostiziert?

Meist beginnt die Suche nach den Ursachen beim Hausarzt mit einer Tastuntersuchung und führt schließlich zur Überweisung zum Orthopäden. In der Regel nach einer Röntgenaufnahme (bei der man den Gelenkspalt begutachten kann) folgt dann möglicherweise das Schnittbild im MRT. Hier werden dem neben den Knochen auch die Weichteilstruktur und die Knorpel sichtbar. Oft kommt danach eine Gelenkspiegelung dran, um präzise zu beschreiben, welche Ursachen den Schmerzen im Knie zugrund liegen.

Die Therapie beginnt mit der Gabe von Medikamenten (NSAR und Analgetika) gegen Schmerzen und die Entzündung. Hilfreich kann ebenso ein Salbenverband mit Voltaren, das Taping durch den Physiotherapeuten, eine Bandage oder manchmal sogar eine Orthese bei starker Instabilität des Kniegelenks sein. Wenn die Schmerzen nicht nachlassen, entschließt sich der behandelnde Arzt häufig zu einer Gelenkinjektion, z.B. mit Kortison oder Hyaluron-Präparaten. Die Komplementärmedizin empfiehlt zusätzlich eine Magnetfeldtherapie. Aber für die gibt es bisher keinen wissenschaftlichen Beleg für eine positive Veränderung der Arthrose. Entsprechend muss der Patient dafür in die eigene Tasche greifen. Beliebt ist die Akupunktur, mit der sich zumindest die Schmerzwahrnehmung positiv beeinflussen lässt. Die Ursachen für die Arthrose lassen sich damit aber nicht aus der Welt schaffen.

Wann und wie wird eine Arthrose operiert?

Spätestens wenn das alles nicht hilft, kommt die Frage nach dem wann und wie einer Operation ins Spiel. 160.000 Knieimplantate pro Jahr sprechen für sich. Aber, und damit kommen wir zurück zum Anliegen des Patientenvortrags, bevor ein Implantat von den lästigen Schmerzen am Knie befreit, stehen dem Chirurgen einige Therapiemöglichkeiten mehr zur Verfügung. Das ist zum einen die Mikrofrakturierung, bei der unter dem Knorpel liegender Knochen angebohrt wird. Das aus dem Knochen austretende Blut wird dazu benutzt, die Defekte in der Knorpelstruktur auszukleiden. Dieses Verfahren ist für einen Defekt bis zu 4 Quadratzentimetern geeignet.

Deutlich erfolgreicher ist das AMIC Verfahren, bei dem zusätzlich ein Flies zur Anwendung kommt, um Ersatzgewebe zu bilden, das bis zu 8 Quadratzentimenter große Defekte reparieren soll. Bei einer Knorpelzelltransplantation wird aus einem anderen Bereich des Körpers gesunder Knorpel entnommen. Nach 4 bis 6 Wochen wird die Anzüchtung mit Kollagenflies in die Defektzone eingebracht. Bei der Mosaikplastik werden aus weniger belasteten Gelenkbereichen Knorpelzylinder inklusive Knochen entnommen. Mit diesem Material lassen sich bis zu drei Zentimeter große Defekte gut auskleiden. Die vergleichsweise junge Methode hat eine hohe Erfolgsquote. Bei sehr großen Defekten kann eine Korrektur der Beinachse von O nach X oder umgekehrt eine Entlastung herbeiführen und so den Gelenkersatz hinauszögern.

Anschließende Diskussion wird schnell zur Privatsprechstunde

Nach dem etwa einstündigen Patientenvortrag eröffnete Prof. Böhling die Diskussion. Bereits nach den ersten drei Besucherstimmen wurde eines deutlich: hier leiden alle an länger andauernden Knieproblemen. Die meisten Fragen der Anwesenden bezogen sich direkt auf deren persönliche Krankengeschichte. Für mich ein Indiz, dass im gewöhnlichen Arzt-Patientengespräch manche Fragen offen bleiben. Zum Glück konnte ein weiterer im Raum Arzt den Ansturm der Besucher auf den Referenten etwas abfedern und am Rande weitere Fragen beantworten.

Mein Fazit: Prof. Böhling hat das Thema Arthrose im Kniegelenk sympathisch, anschaulich und kompakt dargestellt. Alle Ausführungen waren für mich gut verständlich und leicht nachvollziehbar. Die Präsentation enthielt viele Bilder und sogar Filmaufnahmen von einer minimal-invasiven OP. Kritische Anmerkungen, z.B. zu Medikamenten, haben mich darin bestärkt, bei Beschwerden rechtzeitig einen Spezialisten aufzusuchen, der zügig eine Diagnose stellt.

Sollte mich das Thema selbst einmal betreffen, fühle ich mich durch einen Vortag dieser Art gut auf das Gespräch mit meinem Arzt über mögliche Therapieoptionen vorbereitet. Eigene Recherchen im Internet würden mir danach deutlich leichter fallen. Sehr dankbar war ich für die Ratschläge von Prof. Dr. Böhling, um eine sekundäre Arthrose zu vermeiden. Wer z.B. 10 Kilo Übergewicht abspeckt, der mutet seinem Knie bereits 50 Prozent weniger Belastung zu. Außerdem könnte ich mit reichlich Bewegung, einer ausgewogenen Ernährung und dem Verzicht bzw. maßvollen Konsum von Alkohol und Nikotin meiner Knorpelschicht am Knie ein längeres Leben bescheren. Zu den operativen Verfahren bei Knorpeldefekten hätte ich mir noch weitere Informationen gewünscht.

Wer an einer Arthrose am Knie leidet, dem kann ich die Informationsveranstaltung Arthrose im Kniegelenk in der Schlosspark-Klinik empfehlen. Sie findet übrigens regelmäßig statt. Wer unsicher ist, ob es Arthrose oder Arthritis ist, für den bietet sich ein weiterer Vortrag im Patientenforum der Schlosspark-Klinik am 20.06.2017 an. Referentin ist Prof. Dr. med. Rieke Alten, Chefärztin der Abt. Innere Medizin II – Rheumatologie.

Beitrag für meetmedi | Text: Gerburg Richter  | Foto: https://pixabay.com